Seasons
Greetings! I wish that I could offer everyone an extravagant gift, but
I’m just a starving writer. As such, I decided to write a Christmas
story, “Reindeer to the Rescue.” This is my gift for this year. It is
offered in the spirit of the holidays, complete with the typical holiday
tropes. I have already posted this story in English, but here is the Deutsch Sprache version for my friends on this side of the Pond.
Liebe Grüße und Frohe Weihnachten,
Marco
Liebe Grüße und Frohe Weihnachten,
Marco
Das
Rentier kehrt zurück
Eine
Weihnachtsgeschichte
von
Marco Etheridge
Ein
dickbäuchiger Mann saß am Ende des Tisches, auf seinem kahlen Kopf schimmerten
kleine Schweißperlen. Im Kamin knackten Holzscheite, und der Raum war warm. Der
Mann glättete seinen buschigen Bart, der über seinem weißen Feinripphemd hing,
und blickte den langen Holztisch entlang. Zehn Stühle standen um den Tisch, auf
jedem saß eine winzige grün gekleidete Gestalt. Der dicke Mann schüttelte den
Kopf, seufzte, und erhob seine Hände.
„Ich
denke wir sollten beginnen. Ich wünschte ich könnte die Besprechung mit guten
Nachrichten einleiten, die habe ich jedoch nicht. Ihr seid alle erfahrene
Elfen. Wir sind seit Anbeginn zusammen, also braucht es kein Schönreden. Wenn
wir nicht drastische Maßnahmen ergreifen, wird es das letzte Weihnachten für
uns als Team gewesen sein.“
Der
dicke Mann ließ seine Hände auf den Tisch fallen. Er sah zu seinen Elfen, einer
nach der anderen, und sie zu ihm. Keine der Augen blinzelten. Die Elfe zu
seiner Rechten rutschte auf ihrem Stuhl.
„Glaubst
du wirklich, dass es so schlimm ist, Boss? Ich meine, ich weiß dass die letzten
Jahre hart waren, aber sind wir wirklich schon so weit das Halstuch zu werfen?“
„Die
Spielzeugindustrie zerstört uns, Pepper. Kinder wollen kein selbstgemachtes
Spielzeug mehr. Was sie wollen ist billige Plastikware von SpielMobil und
SpielzeugSindWir. Eltern müssen nicht bis Weihnachten warten. Ein Klick auf dem
Computer genügt, und Bingo! Gratis Lieferung in zwei Tagen, ohne eine Liste an
den Weihnachtsmann zum Nordpol schicken zu müssen. Du fragst ob es wirklich so
schlimm ist? Sie machen uns zunichte. Wir sind überflüssig geworden, obsolet.“
Ein
Raunen ging durch den Raum.
„Und
als wäre das noch nicht genug, bekomme ich schon Drohbriefe von Anwälten aus
der Thanksgiving-Truppe. Sie beschuldigen uns des unrechtmäßigen Eingriffs. Als
wäre der Black Friday unsere Idee gewesen! Wer nennt einen Feiertag auch
'Schwarzer Freitag'? Das klingt doch mehr nach einem neuen Börsencrash.“ Eine
ältere Elfe zur Linken räusperte sich.
„Snowball,
du möchtest etwas sagen?“
„Ich
erwähne es ungern, Chef, aber die Verdrängung durch die Konzerne hat massiv
zugenommen seit wir die Rentiere gefeuert und die Lieferung an DHL abgegeben
haben.“
Der
dicke Mann fasste sich mit seiner plumpen Hand an die schweißnasse Stirn.
„Ich
weiß, ich weiß. Herrje, erinnere mich bloß nicht daran. Damit hat der ganze
Schlamassel begonnen. Ich muss zu viele Rumpflaumen gegessen haben als ich
diese Entscheidung traf.“
Der
Weihnachtsmann blickte zum anderen Ende des Tisches.
„Ja,
Bushy, sprich.“
„Möchtest
du dennoch die Statistik der Braven und Unartigen haben?“
„Ich
glaube nicht, aber lass sie uns trotzdem hören.“
„Ich
bin die Zahlen mehrere Male durchgegangen, und das Ergebnis ist immer dasselbe:
die Zahl der Unartigen war noch nie so hoch. Wenn das hier ein Pferderennen
wäre, 'Brav' wäre ein dreibeiniges, blindes Pferd, und 'Unartig' wäre Pegasus.“
Der
Weihnachtsmann warf Bushy einen prüfenden Blick zu.
„Warst
du etwa wieder auf der Rennbahn?“
Bushy
zuckte mit den Schultern.
„Eine
Elfe muss sich auch irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen, Boss.“
Der
Weihnachtsmann wedelte mit den Händen, so als ob er damit schlechte Gedanken verscheuchen wollte.
„Jetzt
ist es aber genug. Die Frage ist, wie wir wieder zurück ins Spiel kommen! Was
uns zum nächsten Punkt, Operation Rentier, führt. Pepper, wie geht die
Teamzusammenstellung voran?“
Die
Elfe öffnete eine rote und eine grüne Mappe.
„Es
gibt gute und schlechte Nachrichten, Boss. Wir haben Dasher, Dancer, Prancer,
Comet und Cupid. Sie sind hier am Nordpol und scheinen in ziemlich guter
Kondition zu sein. Vixen hat noch ein paar persönliche Angelegenheiten zu
klären. Donner und Blitzen haben wir in einem Aschram in Indien gefunden.“
„Einem
Aschram? Warte, nein, erzähl es mir lieber nicht. Schaff sie einfach hierher.
Was ist mit Rudolph?“
„Das
ist die schlechte Nachricht. Wir haben Späher in alle Richtungen ausgeschickt,
aber niemand kann ihn finden.“
„Diese
alberne Rotnase ist eines unserer Markenzeichen. Er muss mit dabei sein, oder
wir sind am Ende.“
Der
dicke Mann schlug derart mit seiner wulstigen Hand auf den Tisch, dass die Elfen alle aufsprangen.
„Hört
zu ihr Elfen, wenn ihr nicht als eierbemalende Tagelöhner beim Osterhasen
landen wollt, schlage ich vor, ihr findet Rudolph.“
Ein
schummriger, subarktischer Lichtstrahl drang in die kleine Hütte. Sein
schwacher Schein fiel auf einen billigen Couchtisch und erleuchtete dabei eine
leere Wodkaflasche. Eine Kaffeetasse lag neben der Flasche, ihr Rand verklebt
mit einer Kruste aus getrocknetem Eierlikör. Von einem niedrigen Bett in der
Ecke kam ein schnarchendes Geräusch, unregelmäßig und abgehackt. Das gurgelnde
Geräusch stieg und fiel, und mit jedem Anstieg leuchtete ein roter Schimmer
auf.
Vor
der Hütte knirschten schwere Stiefel in tiefem Schnee. Das Knirschen hörte
abrupt auf, und wurde abgelöst vom Geräusch einer gegen die Eingangstür
schlagenden Faust. Das Klopfen war unnachgiebig, und drang selbst in die
dunklen Träume der schnarchenden Gestalt. Das Geschnarche kam ins Stocken und
hörte schließlich auf. Aus der Dunkelheit drang ein lautes Stöhnen und kaum
vernehmbare Worte.
„Geh
weg.“
Das
Klopfen hörte jedoch nicht auf.
Ein
dunkler Schatten in Form eines kleinen Rentiers erhob sich träge aus dem Bett.
Das Tier senkte sein Geweih, zielte auf die Tür und sprang los. Es stolperte
prompt über den Couchtisch, warf ihn um, und landete unsanft vor der
Eingangstür. Das Klopfen hörte auf, und eine piepsende Stimme drang in die Hütte.
„Rudolph,
bist du es?“
Das
benebelte Rentier hob seinen Kopf.
„Kannst
du das Schild nicht lesen? Draußen bleiben! Das ist sehr verständlich, oder
nicht?“
„Ich
sehe aber überhaupt kein Schild.“
„Oh,
naja..., ich war dabei eins aufzuhängen, also geh schon weg.“
„Rudolph,
mach die Tür auf und lass mich rein. Der Rote Mann hat mich geschickt. Komm
schon, Rudi, ich frier mir meinen Allerwertesten ab.“
Ein
Hauch von Erinnerung erwachte in Rudolphs trübem Gehirn.
„Benny,
bist du das? Was zum Kuckuck machst du denn in Finnland?“
„Was
denkst du denn das ich hier mache? Der Boss schickt mich. Wir bringen das Team
wieder zusammen und wir brauchen dich. Jetzt öffne schon die Tür.“
Rudolph
erhob sich mühsam vom Boden und langte zur Türschnalle. Ohne auf das Eintreten
seines Gastes zu warten, schleppte er sich zu einer zerlumpten Couch und rollte
sich auf fleckigen Laken zusammen.
Benny
die Elfe warf die Tür hinter sich zu. Er wickelte den Schal von seinem Gesicht
und rümpfte angewidert die Nase.
„Heilige
Weihnachtsgans, Rudi, hier stinkt es gewaltig.“
Rudi
schwenkte ein Huf in der Luft.
„Mein
Rehlein, Claire, hat mich vor ein paar Wochen verlassen. Sie hat die Kinder
zusammengepackt und ist zu ihrer Schwester gezogen. Kann sein, dass ich den Haushalt
ein wenig vernachlässigt habe.“
Benny
machte zwei Schritte in den Raum und stolperte über die leere Wodkaflasche. Es
gelang ihm, sich gleichzeitig auf den Beinen zu halten und zu fluchen. Das
verkaterte Rentier auf der Couch schaute nicht einmal auf.
„Um
Himmels Willen, Rudi, das ist nicht alles was du vernachlässigt hast. Du siehst
aus wie der Tod auf verschimmeltem Brot. Was zum Teufel machst du eigentlich in
Finnland?“
Rudolph
blickte mit einem halbgeöffneten Auge zu der Elfe.
„Ich
bin ein Rentier, Benny. Gibt es für ein Rentier einen besseren Ort zum
Verstecken als hier?“
Die
Elfe zuckte mit den Schultern.
„Okay,
blöde Frage. Wohnt deine Schwägerin denn in der Nähe?“
„Fairbanks,
Alaska.“ antwortete Rudolph, mit einem Huf in der Luft.
„Das
hier scheint nicht leichter zu werden, oder? Okay, vergiss es. Wir haben dich
monatelang gesucht, und das war keine einfache Angelegenheit. Santa hat mich
geschickt um dich abzuholen, und er ist nicht in der Stimmung, ein nein zu
akzeptieren. Du musst dich jetzt zusammennehmen und mit mir mitkommen. Draußen
steht ein schöner, warmer Wagen und in Helsinki wartet schon das Flugzeug auf
uns.“
Rudolph
schüttelte nur den Kopf und lachte bitter. Seine Nase flackerte und warf dabei
einen roten Schein über sein mitgenommenes Gesicht.
„Ist
es Santa schon in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht gar nicht gefunden
werden wollte? Abgesehen davon bin ich nicht in der Verfassung, irgendwohin zu
gehen, falls du das noch nicht bemerkt hast. Und dort angekommen wäre ich für
niemanden von Nutzen.“
„Darüber
mache ich mir keine Gedanken, Rudi. Der Rote Mann hat mir aufgetragen, dich zu
finden und zurückzubringen. Zuerst putzen wir dich ein wenig heraus, und dann
überlegen wir uns, was wir wegen Claire und den Kindern unternehmen. Zur Zeit
sehen die Dinge nicht so rosig aus in der alten Heimat, also was hast du zu
verlieren?“
Rudolphs
Augen streiften über das Chaos in der Hütte.
„Naja,
vielleicht hast du Recht. Sag mal, gibt es in dem alten Flugzeug immer noch
eine Bar?“
„Natürlich,
Santa genehmigt sich gern hie und da einen feierlichen Tropfen. Warum fragst
du?“
„Weil
wir sie brauchen werden.“
„Rudi,
es sind nur drei Stunden bis zum Nordpol.“
„Eben.“
Benny
massierte sich mit seinen behandschuhten Fingern den Rücken seiner spitzen
Nase. Für einen langen Augenblick stand er mit geschlossenen Augen da, als
würde er an bessere Zeiten denken. Dann hob er seinen Kopf und atmete bedächtig
aus.
„Brauchst
du etwas Zeit zum Einpacken oder so?“
„Ich
bin ein Rentier, Benny, was habe ich denn schon zu packen?“
Die
Schlittenhalle stand am Rande des Nordpolkomplexes. Sie war lang und innen
offen, mit einem gewölbten Dach und breiten Holztoren die weit zur Seite
rollten. Eine Ansammlung von großen roten Schlitten stand in einer Reihe unter
dem gezimmerten Holzdach. Rentiergeschirre hingen an den mit Holzpaneelen
versehenen Wänden.
Neun
Rentiere standen in einem lockeren Halbkreis im schattigen Hangar. Hufe
klackten nervös auf dem Steinboden. Rudolph stand hinter den anderen und fühlte
sich hilflos und verängstigt.
Der
Nordpol war so wie er ihn in Erinnerung hatte, und dennoch fühlte sich alles
seltsam an und fremd. Zu viele Jahre waren vergangen, zu vieles hatte sich
verändert. Rudolph schüttelte den Kopf, und ging in Gedanken alles durch. Erst kam der Schock, als der Weihnachtsmann
das Team auflöste. Die nächsten Jahre verbummelte er dann am Nordpol bis ihm
das gezimmerte Dach auf den Kopf fiel.
Finnland
schien eine gute Option zu sein. Rudolph bemühte sich zu integrieren und an die
normalen Rentiere anzupassen. Für einige Jahre funktionierte es. Er hatte einen
Job, eine nette kleine Hütte und ging mit einem süßen Reh namens Claire aus.
Rudolph
gelang es, ein normales Rentier vorzugeben, sogar als die Kinder zur Welt
kamen, aber es war alles nur gespielt. Er wusste, dass es nicht echt war, und
Claire wusste es auch. Rudolph begann wieder ein wenig zu fliegen, immer im
Geheimen, und immer nachdem er getrunken hatte. Das Ergebnis war verheerend.
Immer öfter kam Rudolph ganz zerfleddert und frustriert nach Hause, während
Claire immer besorgter wurde.
Eine
dröhnende Stimme unterbrach Rudolphs Gedanken. Ein dickbäuchiger Mann in einem
roten Fliegeranzug schritt durch das offene Eingangstor. Ein Kader von Elfen
folgte ihm auf den Fersen, jede bekleidet mit einem grünen Overall. Der
Weihnachtsmann machte vor den Rentieren Halt. Eine unangenehme Stille
verbreitete sich im Raum. Hufe scherten, da und dort war ein Räuspern zu hören.
Der dicke Mann ließ einen schweren Seufzer aus und begann zu sprechen.
„Willkommen
zurück am Nordpol. Es ist wunderbar euch alle zu sehen.“
Er
warf einen kurzen Blick auf seine Notizen, dann schüttelte er den Kopf. Er warf
das Klemmbrett zu einer der Elfen und drehte sich mit einem traurigen Lächeln
zu den Rentieren.
„Wir
kennen einander nun seit vielen Jahren, zu lange für irgendwelche
vorgefertigten Reden. Ich möchte mich bei jedem einzelnen von euch für das
Auflösen des Rentierteams entschuldigen. Meine Absicht war gut, aber das
Ergebnis war desaströs. Ich habe nicht nur dem Team geschadet, sondern auch
Weihnachten.“
Ein
hübsches Rentier meldete sich zu Wort.
„Boss,
das ist doch alles Schnee von gestern. Im Moment ist Weihnachten in Gefahr. Wie
sieht denn der Plan aus?“
Der
dicke Mann schaute hinab auf seine frisch polierten Stiefel und rieb sich dabei
mit seinen pummeligen Fingern die Augenlider. Als er den Kopf hob, glänzten
seine Augen.
„Danke,
Vixen, direkt auf den Punkt gebracht, wie immer. Ja, Weihnachten ist in Gefahr.
Dieses könnte unser letztes Jahr werden, aber ich will nicht aufgeben bevor wir
es noch einmal versuchen. Noch ein Flug, noch eine Chance, die Welt daran zu
erinnern, was Weihnachten wirklich bedeutet.“
Das
größte Rentier kippte sein Geweih zur Seite.
„Ja,
Donner?“
Das
Rentier sprach mit einer tiefen, klangvollen Stimme.
„Wir
sind alle mit dabei, Chef, sonst wären wir nicht hier. Aber wir haben seit
zwanzig Jahren keinen Schlitten mehr gezogen. Wir sind alle etwas eingerostet,
einige mehr als andere.“
Da
kam ein Husten und ein Scheren von Hufen aus dem hinteren Teil der Gruppe.
„Wir
haben das schon untereinander diskutiert. Wir Rentiere sind bereit, es zu
versuchen, aber ich denke dass es besser wäre, endlich mit dem Üben zu
beginnen, als hier im Hangar herumzustehen.“
Der
Weihnachtsmann klatschte seine Hände zusammen.
„Du
hast Recht, Donner, genug gelabert. Wir haben nur sechs Wochen bis zum Heiligen
Abend. Wir werden erst mit ein paar Aufwärmrunden beginnen, dann machen wir
weiter mit dem Abflug und ein paar solo Flügen. Formationsfliegen wird etwas
später dran kommen. Okay, wir haben das alle schon mal gemacht, also lasst und
loslegen!“
Der
Weihnachtsmann drehte sich um und schritt zum offenen Tor, der Elfenkader an
seinen Fersen. Die Rentiere folgten, Rudolph schlurfte als letzter hinterher.
Sie
trainierten unter dem beständig klaren Sternenhimmel des Nordpols. Die Rentiere
sprangen und stolperten, stiegen auf und schwankten, und Weihnachten rückte
immer näher.
In
einer dieser langen, kalten Nächte stand der Weihnachtsmann da und beobachtete
die Rentiere. Er sprach zu der Elfe neben ihm.
„Und,
Pepper, wie machen wir uns nach mittlerweile vier Wochen?“
Die
Elfe überflog die Notizen auf ihrem Klemmbrett bevor sie antwortete.
„Donner
und Blitzen machen eine ziemlich gute Figur. Sie waren immer die stärksten, das
ist also keine Überraschung. Vixen hat ein paar gute Bewegungen drauf, beinahe
wie in alten Zeiten. Dasher ist robust, und Prancer tänzelt zwar nicht gerade,
aber sie machen beide Fortschritte. Comet und Cupid werden auch schön langsam
warm, aber sie brauchen noch etwas Zeit.“
Santa
nickte bedächtig und blickte starr hinaus über den glitzernden Schnee, der sich
gegen die dunkle Nacht abhob.
„Und
eben das haben wir nicht, Pepper; Zeit. Es sind nur noch zwei Wochen bis
Weihnachten, und morgen haben wir den ersten Testflug mit einem Schlitten. Wie
geht es unserem rotnasigen Rentier?“
„Naja,
Boss, er scheint sich vom Eierlikör fernzuhalten, was sehr hilfreich ist. Im
Moment sind acht von zehn Starts erfolgreich. Vielleicht sollte ich morgen den
Testflug lenken, um das Gewicht gering zu halten und so. Nichts für ungut,
Boss.“
„Ho,
ho, ho! Alles klar, Pepper. Bist du sicher dass du das machen willst?“
„Nur
keine Sorge, ich werde meinen Sturzhelm aufsetzen.“
Rudolphs
Herz klopfte wie wild in seiner Brust. Sternenlicht reflektierte in den
silbernen Schnallen seines Geschirrs, das von den Schultern bis zum Rücken
lief. Hinter ihm standen acht Rentierpaare in lederne Stränge gespannt. Schnee
knirschte unter ihren Hufen, und Leder knarrte in der frostigen Luft. Pepper
die Elfe saß auf der Schlittenbank, die Zügel in der Hand. Ein leuchtend grüner
Sturzhelm war eng auf seinen Kopf geschnallt. Peppers Stimme schallte vom
Schlitten.
„Denkt
daran, es ist nur ein einfacher Testflug. Nichts Ausgefallenes, okay? Wir gehen
hoch, ziehen ein paar Kreise um den Komplex, und kehren mit einer sanften
Landung zurück. Seid ihr alle bereit?“
Das
Geschirr klimperte als die Rentiere im Schnee scharrten. Pepper hob die Zügel.
„Okay,
Rudolph, zieh uns hoch!“
Rudolph
zog schwer gegen das Geschirr, während seine Hufe Schnee verstäubten. Die
Rentiere hinter ihm machten dasselbe. Das Geschirr zog sich enger, und der
Schlitten glitt über den Schnee. Sie rannten nun, schneller und schneller.
Rudolph stieß sich mit seinen Hinterbeinen ab und streckte seine Vorderbeine in
den Himmel.
Zwischen
seinen Hufen sah Rudolph die schneebedeckte Landschaft verschwinden. Das
Geschirr hinter ihm zog gleichmäßig, und er wusste dass der Schlitten ebenso in
der Luft war.
Ein
Funke Hoffnung entfachte in Rudolphs Herz, nur um gleich wieder erlöscht zu
werden von einer Welle aus Zweifel und Angst. Sie durchströmte ihn, dunkel und
bedrohlich, und betäubte seinen Verstand. Seine Konzentration war gebrochen,
und seine Hufe begannen zu wanken.
Rudolphs
Vorderbeine taumelten in der Luft, und er steuerte hart nach rechts. Er
versuchte verzweifelt seinen Kurs zu korrigieren. Der Zug der Rentiere folgte
ihm schwankend nach. Hinter ihnen schaukelte der Schlitten vor und zurück in
der kalten Nacht.
Pepper
wurde beinahe vom Schlitten geworfen. Die Zügel fielen aus seinen Händen als er
sich am Schlittengelände festklammerte. Nach links kippend, mit wild zappelnden
Hufen in der Luft, fiel der gesamte Zug vom Himmel.
Nur
eine große Portion Glück und eine massive Schneewehe rettete die Mannschaft vor
dem totalen Desaster. Rudolph steuerte direkt in den weichen Schneehaufen,
gefolgt von den anderen Rentieren und dem Schlitten. Eine riesige Schneewolke
stieg in den Sternenhimmel. Ein mit Elfen besetzter Abschleppwagen rollte aus
dem Hangar. Glöckchen läuteten in der Dunkelheit als der Wagen Richtung
Schlittenwrack rumpelte.
Die
Rettungselfen schaufelten die Rentiere aus dem Schneehaufen und befreiten sie
vom verhedderten Geschirr. Der Schlitten wurde an den Abschleppwagen gehängt.
Eine traurige Prozession machte sich langsam auf den Weg zurück zum Hangar. Die
Elfen zogen den abgestürzten Schlitten, und hinter ihnen torkelten die
Rentiere. Als letzter kam Rudolph, sein Geweih tief gesenkt.
Als
sich die Aufregung rund um den Absturz ein wenig legte, zog sich Rudolph in
einen einsamen Winkel in der Schlittenhalle zurück. Er kauerte zusammengerollt
auf einem Stück alten Teppich und starrte auf den zerstörten Schlitten.
Die
Stille wurde unterbrochen vom Knarren einer Holztür, und dem unverkennbaren
Klang von Hufen auf Steinboden. Es war Donner, der sich neben Rudolph
hinsetzte; das stärkste Rentier im Team. Aus Angst, was das größere Rentier zu
sagen hatte, begann Rudolph als erster zu sprechen.
„Es
tut mir leid, Donner, ich habe es vermasselt und den Flug total verhaut.“
Donner
sah Rudolph an, sein gewaltiges Geweih zur Seite gekippt.
„So
siehst du es also?“
„Natürlich,
ich bin gestolpert und habe alle anderen mit runtergezogen.“
Donner
betrachtete eine Weile den Schlitten, so als ob er seine Worte abwägen wollte.
„Das
ist nicht was ich gesehen habe, Rudolph. Wenn das Leitrentier stolpert, müssen
das die starken Zugtiere, das nächst folgende Paar, ausgleichen, bis das
Leittier wieder auf die Beine kommt. Das zweite Paar schützt den Ersten, und so
weiter, der Reihe nach bis nach hinten.“
„Aber
du und Blitzen wart hinter mir.“
„Genau,
und wir haben dich hängen lassen. Blitzen ist dir nachgelaufen, und ich habe
den Zug lockergelassen. Und das Ergebnis war, dass ein kleiner Fehler außer
Kontrolle geraten ist und das ganze Team mitgezogen hat.“
„Ja,
und mein Fehler war es, der die ganze Sache ins Rollen gebracht hat.“
„Fehler
passieren. Was zählt ist wie wir damit umgehen. Das war nur ein Übungsflug,
unser erster gemeinsamer Flug in zwanzig Jahren. Niemand wurde verletzt, und
der Schlitten kann repariert werden. Du musst darüber hinwegkommen, okay?“
„Ja,
aber...“
„Warte,
lass mich dir eine Geschichte erzählen. Vor einigen Jahren habe ich eine
wichtige Lektion gelernt. Ich war immer ein starkes Zugtier in der Reihe, sogar
als ich noch ein Frischling war. Ich war sehr stolz auf meine Stärke, doch hat
mich dieser Stolz auch geblendet. Eines Tages wurde ich mit einer schwierigen
Situation konfrontiert, in der mir Stärke allein nicht weiterhalf. Um die
Aufgabe erledigen zu können, wurden andere Fähigkeiten benötigt. Und wie sich
herausstellte, kam dieses Talent vom kleinsten und jüngsten Mitglied der
Mannschaft.“
„Wow,
hast du das etwa im Aschram gelernt?“
Das
große Rentier grinste.
„Nein,
das habe ich von dir gelernt, Rudolph. In jener nebligen Nacht vor vielen
Jahren, als der Weihnachtsflug beinahe abgesagt werden musste, hast du alles
gerettet.“
Donner
erhob sich zu seiner vollen Größe und dehnte dabei seine Hinterbeine.
„Ich
werde mich jetzt besser zurückziehen. Wir machen morgen wieder einen Testflug
und ich muss bei vollen Kräften sein. Wir sehen uns in der Früh.“
Rudolph
beobachtete Donner wie er über die Steinplatten schritt und durch das Tor
verschwand. Er fühlte Donners gütige Worte noch in der Luft hängen, und den
Hoffnungsschimmer, der erneut in seinem Herzen erwachte.
Die
Heilige Nacht war leuchtend und klar. Ein elektrisches Knistern lag in der
arktischen Luft. Rudolph stand am vordersten Punkt des langen Rentierzuges, mit
acht starken Rentieren hinter ihm. Dünne Dampfschwaden strömten aus ihren
Nasenlöchern, vorbei an hohen und stolzen Geweihen. Rudolphs Blick schweifte
über die verschneite Startbahn, und seine Nase leuchtete in der Dunkelheit.
Der
Weihnachtsmann saß auf der Schlittenbank, herausgeputzt in seinem schönsten
Weihnachtsanzug und der besten Mütze. Die mit Fell besetzten Ränder des Anzugs
waren sorgfältig aufgebürstet, und das lange Ende der Mütze fiel locker zur
Seite. Der Bart des Mannes war gekämmt und gestriegelt, seine Stiefel geputzt
und poliert. Der Weihnachtsmann nahm die Zügel in seine behandschuhten Hände,
und befühlte ihre Oberfläche.
Der
Schlitten war voll beladen mit Geschenken, auch wenn die Rentiere den Eindruck
hatten, dass die Ladung diesmal kleiner und leichter war als in vergangenen
Jahren. Die Elfen wussten Bescheid, ebenso der Weihnachtsmann, aber sie
behielten das Geheimnis für sich. Vixen hatte sich getraut danach zu fragen,
als der Schlitten beladen wurde, Santa jedoch gab ihr nur ein kurzes Nicken und
Zwinkern zur Antwort.
Die
Zügel spannten sich, als sich der Weihnachtsmann zurück in den Schlitten
lehnte, und ebenso spannten sich die Muskeln der Rentiere an, als sein
schallendes Lachen ertönte. Rentierhufe gruben sich in den Schnee, alles
wartete auf sein Kommando.
„Ho, Ho, Ho-Ho! Los, Dasher, los, Dancer...“
Schon
presste Rudolph seine Schultern gegen das Geschirr, und die anderen Rentiere
taten es ihm gleich. Der Schlitten zischte vorwärts. Eine sprühende Wolke aus
Schnee erhob sich hinter dem schneller werdenden Gefährt.
Rudolph
spürte die Zügel aus Leder auf seinen Rücken schnalzen, ein vertrautes Zeichen
von Santas erfahrener Hand. Er sprang in die Luft, und das gesamte Team sprang
hinter ihm her. Sie stiegen in den nächtlichen Himmel auf, die Hufe bewegten
sich im Gleichschritt. Der Rentierzug machte eine lange Drehung Richtung Süden,
Santa und der Schlitten flogen gleichmäßig hinterher. Und dann, in einem
Aufblitzen von Lichtern und Glocken, waren der Schlitten und die Rentiere in
die Nacht eingetaucht und verschwunden.
Es
war eine magische Nacht, und die Rentiere fühlten sich durchflutet von diesem
Zauber. Sie flogen wie eins, umkreisten die ganze Welt, während der
Weihnachtsmann lachte und Lieder sang. Der Schlitten fuhr hinweg über entfernte
Länder, stets begleitet von dem Geräusch fliegender Hufe und Santas fröhlichem
Gelächter. Und wohin sie auch kamen hinterließen sie eine Spur von kleinen
Päckchen an Betten, Feuerstellen und Kaminen.
Der
Weihnachtsmann und seine Rentiere flogen weiter und schneller als sie jemals
geflogen waren. Kein Kind wurde vergessen: Christen Kinder und Chanukka Kinder,
Muslime und Buddhisten, Orthodoxe und Kwanzaa Kinder, alle fanden beim Erwachen
ein Geschenk, das ihren Morgen erhellte.
Auch
die Erwachsenen wurden bedacht. Bauern und Bedürftige, Präsidenten und
Premierminister, die Ungezogenen und die Braven; ein kleines, glänzendes
Päckchen kam zu ihnen allen.
Eifrige
Finger rissen an der schimmernden Verpackung. Unter dem bunten Papier fanden
alle Hände dasselbe Geschenk. Klein genug um in eine Kinderhand zu passen, war
da ein geschnitztes Herz. Die Herzen waren aus Naturstein gearbeitet, oder aus
poliertem Holz, und alle waren sie in Form und Größe gleich. Eine Inschrift war
zu lesen, in vielen verschiedenen Sprachen, jedoch immer mit dem gleichen Text:
Schenke Mich Weiter.
In
den frühen Morgenstunden des Christtages legte der Schlitten eine perfekte
Landung am Nordpol hin. Die Elfen lösten das Geschirr von den Rentieren, und
der leere Schlitten wurde in den Hangar geschoben. Die Rentiere marschierten
hinter dem Weihnachtsmann und den Elfen, mit hoch erhobenen Geweihen.
Die
Weihnachtsfeier am Nordpol dauerte den ganzen Tag und bis in die nächste Nacht.
Lichter strahlten, Augen leuchteten, und die Herzen waren voller Freude. Santa
war fröhlich wie ein Kind, die Elfen lachten und sangen, und die Rentiere waren
stolz und glücklich. Nachdem das letzte Lied verklang, zogen sich die Elfen und
Rentiere in ihre Schlafgemächer zurück. Alle bis auf einen.
Rudolph
war viel zu aufgeregt um zu schlafen. Es war schon weit nach Mitternacht als er
den Weihnachtsmann in seinem Büro aufsuchte. Rudolph schob sein Geweih durch
die geöffnete Tür, und fand den Raum erfüllt von Kerzenlicht und dem Duft von
Tannenzweigen. Santa sah von seinem Tisch auf, mit einer Lesebrille auf der
Spitze seiner Nase.
„Ich
hoffe ich störe dich nicht, Boss.“
„Ganz
und gar nicht, Rudolph, komm herein. Was für eine schöne Überraschung.“
Rudolph
trat in den Raum. Feuer flackerte im Kamin, und die Flammen tauchten den Raum
in warme Farben.
Der
dicke Mann griff nach einer Zeitung von einem Stapel auf seinem Tisch.
„Ich
habe gerade die Kritiken über unseren Flug gelesen.“
„Und
was sagen sie?“
„Im
Großen und Ganzen nichts Schlechtes, im Gegenteil.“
Santa
hielt die Zeitung ins flackernde Licht.
„Wir haben ein paar gute Schlagzeilen
gemacht. Der Kurier schreibt: Der Weihnachtsmann steigt wieder auf, und
die Süddeutsche hat: Rentier kommt zu Hilfe, was schon näher an
der Wahrheit dran ist. Aus London kommt: Claus im letzten Augenblick;
ganz schön raffiniert. Natürlich ist nicht jeder erfreut. Gestern
schreibt: Der Weihnachtsmann – jetzt ein Sozialist!“
Rudolph musste grinsen.
„Ich wette die landen damit auf der
Liste der Unartigen.“
„Ach, da waren sie ja schon vorher,
mein Junge, schon lange. Aber sag mir, weshalb wolltest du mich sehen?“
„Ich wollte mich bei dir bedanken,
Santa. Danke, dass du mir noch eine Chance gegeben hast. Danke, dass du an mich
geglaubt hast.“
„Aber Rudolph, in Wahrheit muss ich
dir danken, und das tue ich hiermit, aus tiefstem Herzen. Ich war derjenige der
das Team auseinandergebracht hat. Mir ist klar geworden, dass wir alle im
selben Boot sitzen, oder besser, den selben Schlitten ziehen. Ohne dich hätten
wir es nicht geschafft, das ist die Wahrheit.“
Rudolphs Nase leuchtete im Feuerschein
und er hielt sein Geweih in die Höhe.
„Glaubst du, dass wir es geschafft
haben? Dass wir Weihnachten gerettet haben?“
„Das wird die Zukunft weisen, mein
alter Freund. Was wir jedenfalls geschafft haben ist Zeit zu gewinnen. Nächstes
Jahr fliegen wir wieder, wenn das Team es möchte. Kann ich auf dich zählen?“
Rudolph konnte sein Herz in der Brust
fühlen.
„Gibt es hier einen Platz für mich?
Was ich meine ist, ich möchte Claire und die Kinder bitten zurückzukommen,
zurück nach Hause zum Nordpol.“
Der dickbäuchige Mann brach in
fröhliches Gelächter aus.
„Ho, ho, ho! Nichts würde mir mehr
Freude bereiten, Rudolph. Das hier ist dein Zuhause. Hier wird es immer einen
Platz für dich geben, auf ewig.“
Rudolph nickte und drehte sich dabei
weg, um die Tränen zu verbergen, die in seinen Augen schimmerten. Als er sich
zurückdrehte, lächelte er.
„Vielen Dank, Santa, und Frohe
Weihnachten.“
Der alte Mann nickte, sein Gesicht
schien röter und fröhlicher als Rudolph es je gesehen hatte.
„Frohe Weihnachten, Rudolph.“
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